Ein neuer alter Milchbock
Seit einigen Tagen hat die Heimatstube im alten Kalthaus in Ahlshausen-Sievershausen eine neue Attraktion: ein Milchbock, den Ortsheimatpfleger Siegfried Diedrich und Edwin Losch errichteten und der Heimatstube schenkten. Der Kulturverein freut sich besonders deshalb über das neue Exponat, weil es exemplarisch für einen wesentlichen Wandel im Alltag der beiden Dörfer steht.
Der Milchbock, nicht nur in unseren Dörfern ein Relikt aus vergangener Zeit, wurde z.B. auch in Westerhof erneut aufgebaut. Hier in Ahlshausen fügt er sich nun folgerichtig in ein Ensemble mit dem ehemaligen Kalthaus ein. Beides sind Zeugen einer vergangenen Epoche, in der die Menschen Gemeinschaft und Genossenschaft im Alltag lebten.
Milchböcke im Wandel der Zeiten
Vor den Milchböcken
Im 19. Jahrhundert, als es noch keine Molkereien in den Dörfern gab, mussten die Milchviehhalter ihre Milch selbst verarbeiten. So butterten z.B. die meisten Bauersfrauen selbst. Dafür gaben sie die Milch in flache Tonteller, sogenannte Tongreppen. Dann ließen sie sie so lange stehen, bis sich der Rahm abgesetzt hatte. Diesen füllten sie in ein Butterfass (in der Heimatstube zu besichtigen) und schlugen ihn zu Butter, welche man im eigenen Haushalt verbrauchte. Nur ein kleiner Rest kam zum Verkauf.
Um die Jahrhundertwende gründeten sich in Ahlshausen, Sievershausen und Rittierode Molkereigenossenschaften. Ihr Zweck war die professionelle Verarbeitung der von den Bauern gelieferten Milch. Vorstand und Aufsichtsrat setzten sich aus den Reihen der Mitglieder zusammen, während ein angestellter Molkereiverwalter den Betrieb in der Molkerei leitete. Die Butter und der Quark, die die Bauern nicht für den eigenen Bedarf zurücknahmen, kamen zum Verkauf. Der Erlös daraus wurde dem Konto der Genossenschaft gutgeschrieben. Die „Restprodukte“ (Molke und Buttermilch) verfütterten die Bauern schließlich an ihr Vieh.
Die Ära der Milchböcke
Einige Jahre späten schlossen die Molkereien in Rittierode und Sievershausen. Die Milch musste nun nach Ahlshausen transportiert werden. Seit dieser Zeit erledigten Milchfuhrleute das Abholen und Anliefern der Milch für die Molkereien. Die Fuhrleute waren in Sievershausen Karl und Heinrich Beck, in Rittierode Meyer und Kahle und in Ahlshausen Albert Koch und in der Folge Karl Baumbach.
Um die Abholung zu erleichtern, bauten die Molkereigenossen Milchböcke vor ihren Höfen an die Straße. Täglich gegen 6:00 Uhr morgens stellten sie die Milch in Kannen auf dem Milchbock zum Abholen bereit. Bei jedem Wetter waren die „Milchfahrer“ unterwegs. Sie lieferten die frische Milch in der Molkerei ab und luden die leeren Kannen und die mit der Buttermilch zum Rücktransport auf.
Ende 1968 stellte auch die Molkerei in Ahlshausen ihren Betrieb ein. Die damals 66 Genossen mussten ihre Milch nun an die „Central-Molkerei Kreiensen“ liefern.
Dazu war eine größere Zugmaschine nötig. H. Meyer und F. Teutsch übernahmen die Milchlieferung aus 26 Dörfern der Umgebung nach Kreiensen. Aber nach nur 8 Jahren war auch hier der Betrieb unrentabel geworden und damit die Schließung der Molkerei unausweichlich.
Der Milchbock verliert seine Funktion
Ab 1977 holte ein Tankwagen die Milch ab und brachte sie nach Markoldendorf. Auch diese Molkerei schloss 1992. Danach wurde erst nach Hansano Milchhof in Alfeld geliefert, später nach Hansano Göttingen und zuletzt nach Isernhagen bei Hannover.
Da der Tankwagen nur alle 2 Tage kam, musste die Milch in der Zwischenzeit auf 3° C gekühlt werden. Das stellte viele Bauern vor ein Problem: Um diese Temperaturen zu erreichen und die Kühlkette einzuhalten, mussten sie neue kostspielige Kühlanlagen anschaffen. Unter anderem aus diesem Grund hielten immer weniger Landwirte Milchkühe. Als letzter Betrieb im Dorf schaffte Fam. Bretschneider Anfang der 2000er Jahre die Milchkühe ab. Heute gibt es also keine Milchkuh mehr in Ahlshausen-Sievershausen.
Die soziale Bedeutung der Milchböcke
Ein Milchbock wurde meistens von mehreren Nachbarn geteilt. Die vollen Kannen mussten um 6 Uhr morgens gebracht und die leeren gegen 10 Uhr wieder abgeholt werden. So hatte man einen Ort, an dem man sich täglich begegnen und schnacken konnte, ohne den „Arbeitsplatz“ zu verlassen.
Besonders für die Jugend war es ein unverfänglicher Treffpunkt. So berichtet eine heute 64-jährige Dame: „Wenn ich in den Ferien in Ahlshausen war, setzten wir uns oft abends auf den Milchbock und es dauerte nicht lange, dann fuhren auch schon die Jungs mit ihrem Moped oder Fahrrad vorbei, schauten und kamen auf ein „Gespräch“ zurück.“
Bericht: Brigitte Teutsch-Eberhardt, Kulturverein Ahlshausen-Sievershausen
*Quelle: Ahlshausen-Sievershausen Wissenswertes aus Vergangenheit und Gegenwart II, Hrsg. Kulturverein und Ortsrat, 2000